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"Erhöhung des politischen Mindestlohns ist ein Fehler!“

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Die Bundesregierung hat beschlossen, den gesetzlichen Mindestlohn ab 1. Oktober 2022 auf einen Schlag auf 12 Euro zu erhöhen. Dies widerspricht in eklatanter Weise dem Auftrag der Mindestlohnkommission. Ihr obliegt es, die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns anhand klarer Kriterien – nämlich der nachlaufenden Orientierung an der gesamtwirtschaftlichen Tariflohnentwicklung – festzulegen. Diese Vorgehensweise hat sich in den letzten Jahren bewährt. Mit der politisch getriebenen Erhöhung des Mindestlohns vollzieht die Politik nun einen Angriff auf die Mindestlohnkommission und die Sozialpartnerschaft. Dieser Eingriff in die Tarifautonomie ist ein schwerer Fehler.

Um Missverständnisse von Beginn an zu vermeiden: Ich will ausdrücklich betonen, dass ich überhaupt nicht gegen höhere Löhne bin. Im Gegenteil. Die Löhne in unserem BdS-Entgelttarifvertrag sind so austariert, dass sie über die gesamte Laufzeit in fünf Stufen um jeweils rund 5 % pro Jahr steigen. Das sind durchaus beachtliche und respektable Erhöhungsschritte. Außerdem sieht unser Manteltarifvertrag noch finanzielle Zusatzleistungen wie Zuschläge, Urlaubs- und Weihnachtsgeld vor. Auch die Entgeltgruppen werden in der Praxis oftmals mit örtlichen Aufschlägen versehen – nämlich dort, wo es die wirtschaftliche Struktur erfordert und es die unternehmerische Leistungsfähigkeit zulässt.

Ich finde es mehr als bedenklich, dass die Politik sich anmaßt, branchenspezifische Besonderheiten, Wirtschaftsleistung und Produktivität beurteilen zu können, um daraus resultierend einen politischen Mindestlohn festzulegen. Die Politik verfährt mit diesem politischen Mindestlohn nach dem Gießkannenprinzip und lässt die eben erwähnten Kriterien völlig außer Acht.

Das untergräbt die Legitimation und schwächt die grundgesetzlich geschützte Funktion der Sozialpartner. Ich bekomme die Frage doch bei meinen vielen Gesprächen mit den Unternehmerinnen und Unternehmern vor Ort gestellt: „Warum sollte sich ein Unternehmen einem Tarifvertrag unterwerfen, bei dem dieses freiwillig mehr tarifpolitische Regeln und Zusatzleistungen übernimmt als ‚nur‘ 12 Euro zu zahlen?“

Die gleiche Frage kann auf Beschäftigtenseite auftreten: „Warum sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gewerkschaft beitreten, wenn der Staat das essenzielle Lohnverhandlungsrecht der Gewerkschaft per Gesetz und somit staatlich aushebelt?“

Daher sehe ich die große Gefahr, dass die politische Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns schwerwiegende Konsequenzen haben wird. Erstens wird die Tarifbindung weiter sinken. Zweitens werden Unternehmen eben nicht mehr die finanzielle Kraft haben, Menschen eine Chance zu geben, die es aufgrund von Sprachbarrieren oder mangelnder Qualifikation schwerer haben, einen Berufseinstieg zu finden. Und drittens wird die Tarifpartnerschaft beschädigt: Dieser seit Jahrzehnten geübte und sich bewährte Prozess zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, um branchenspezifisch tragbare Löhne zum Wohle der Unternehmen und der Beschäftigten auszuhandeln.

Als BdS stehen wir für 100 % Tarifbindung unserer Mitglieder. Wir nehmen unsere Verantwortung als Sozialpartner sehr ernst. Mit dem politischen Mindestlohn hat die Bundesregierung der Tarifpartnerschaft und insbesondere meinen Mitgliedsunternehmen einen Bärendienst erwiesen.

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