BdS-Ausbildertreffen und Workshop 2022
„Zeit ist immer das, was fehlt“

Sich gegenseitig kennenlernen, Erfahrungen austauschen und miteinander diskutieren: Der Bundesverband der Systemgastronomie e.V. (BdS) lädt einmal im Jahr alle Ausbildungsverantwortlichen in der Systemgastronomie zum Ausbildertreffen ein. Ziel der Veranstaltung ist es, die Vernetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Weiterentwicklung der Ausbildung zu fördern. Nicht zuletzt versteht sich diese Veranstaltung als Zeichen der Wertschätzung der täglich im Ausbildungsbereich engagierten Menschen. Auch in diesem Jahr kamen wieder zahlreiche Ausbilderinnen und Ausbilder, Berufsschullehrerinnen und -lehrer sowie IHK-Vertreterinnen und -Vertreter aus ganz Deutschland in München zusammen.
Seit 2018 findet im Rahmen des BdS-Ausbildertreffens zusätzlich ein Ausbilderworkshop statt, der diesmal unter dem Motto stand „Wann soll ich das denn noch machen? Zeit- und Selbstmanagement für Ausbildungsverantwortliche“. Andy Lüdemann, ein bundesweit anerkannter Experte für betriebliches Lernen und Lernen mit digitalen Medien leitete den Workshop – und führte die 30 Teilnehmenden durch den intensiven Tag. Ziel des Workshops war es, sich mit der “Ressource Ich“ zu beschäftigen, mehr über Selbst- und Zeitmanagement, Resilienz und Achtsamkeit zu erfahren und Strategien sowie Werkzeuge an die Hand zu bekommen, um mit Stress, zu wenig Zeit und zu vielen Aufgaben umgehen zu können.
Was bedeutet eigentlich Stress?

Gleich morgens schaut man aufs Handy, auf dem Weg zur Arbeit steht man im Stau oder in der überfüllten U-Bahn, im Büro streikt der Computer, kurzfristig muss man eine Vertretungsstunde übernehmen: Schon der Morgen startet für viele oft hektisch – und dabei hat der Arbeitstag gerade erst richtig begonnen. Situationen, die jeder kennt. „Was sind Ihre fünf nervigsten Stressoren und Zeitfresser?“, fragte Lüdemann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann auch zu Beginn des Workshops. In einer Schlagwortwolke hielten sie ihre persönlichen Stressoren und Zeitfresser fest - und die zeigt eine große Bandbreite. Familiäre Probleme und Verpflichtungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie Krankmeldungen, digitale Überlastung, defekte Geräte, zu wenig Personal, zu große Bürokratie, dauernde Unterbrechungen, Unpünktlichkeit der Kollegen oder die E-Mail-Flut.
Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick behalten
Natürlich ist Stress an und für sich etwas Gutes – sorgt in Notsituationen für schnelle Energie und versorgt uns mit Kraft. Dauerstress jedoch nicht, so betonte Lüdemann. Folgen von Dauerstress können etwa Herzrasen, Verdauungsprobleme, Schlafprobleme oder Muskelverspannungen sein. Doch klar sei auch, so Lüdemann: „Die schnelllebige Zeit ist da und die wird nicht mehr langsamer.“ Allerdings gebe es Rüstzeug, um mit Stress und den hohen Anforderungen im Arbeitsleben umgehen zu können. „Ob Azubi oder Chef – mit Selbst- und Stressmanagement, Resilienz und Achtsamkeit kann man viel tun. Gerade vor dem Hintergrund des Mangels an guten Arbeitskräften sollte man sich bewusst sein, dass die Ressource Mensch gut behandelt werden muss. Gesundheit und Sicherheit in der Arbeit sollten Arbeitgeber und Ausbilder immer im Blick behalten. Lüdemann: „Diese sind in den Ausbildungsberufen durch die Standardberufspositionen verpflichtende Vorgaben“.
Sind es vielleicht nicht nur die geforderten Arbeitsaufgaben, die einen stressen, sondern auch die selbst geforderte Arbeitsleitung? Sind hier die eigenen Ansprüche vielleicht zu hoch? Auch darüber lohne es sich nachzudenken. Speziell im Ausbildungsbereich kann Stress zum Beispiel entstehen durch: schwierige Auszubildende, Lehrer- und Ausbildermangel, Nachwuchsgewinnung, neue Inhalte und Methoden oder die Digitalisierung.
Doch wie lässt sich zu viel Stress verhindern?
Bei der Frage, wie sich zu viel Stress verhindern lasse, gab Andy Lüdemann den Teilnehmern diese vier Leitsätze an die Hand:
- „Ich kümmere mich selbst darum, dass ich mich weiterentwickle, dass ich weiß, was ich zu tun habe und meine Aufgaben im Griff habe – ich betreibe Selbstmanagement.“
- „Ich nutze die mir zur Verfügung stehende Zeit, so gut ich kann. Mit Zeitmanagement koordiniere ich die knappe Ressource Zeit im Rahmen meines Selbstmanagements.“
- „Aus viel wird nicht wenig werden und oft ist mehr zu tun als schaffbar ist. Um das in den Griff zu bekommen, versuche ich, mich nicht stressen zu lassen beziehungsweise meine Gelassenheit, meine Reaktion und meine Resilienz zu stärken.
- „Und um an den richtigen Stellen auch mal zum Durchatmen zu kommen und die Situation neutraler und bewusster zu betrachten, ist es gut, dass ich das Thema Achtsamkeit für mich entdeckt habe.“
Reger Austausch im „World-Café“

Beim anschließenden „World-Café“ wanderten die Teilnehmer mit einer Tasse Kaffee in der Hand zwischen vier World-Café-Tischen hin und her, diskutierten untereinander und tauschten sich zu diesen Themen und Fragen aus:
- Stressoren/Zeitfresser
- Bin ich gut? Was tue ich selbst? Wie „füttere“ ich Stress? Wie bekämpfe ich Stress? Welche Möglichkeiten hätte ich?
- Was tut mein Arbeitgeber? Wie unterstützt mein Unternehmen mich gegen Stress? Wie wird Stress gefördert?
- Welche Methoden für Zeitmanagement kenne ich bereits, welche nutze ich?
Die Ergebnisse wurden am jeweiligen „Kaffeetisch“ festgehalten und später der ganzen Gruppe präsentiert.
Prinzipien und Methoden, um besser mit Stress und Zeit umgehen zu können – vom Pomodore-Prinzip bis zur Eisenhower-Matrix

Anschließend stellte Lüdemann den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedene Prinzipien und Methoden vor, um künftig besser mit Stress und wenig Zeit umgehen zu können. Darunter das Pomodore-Prinzip und das Pareto-Prinzip. Letzteres besagt, dass man ca. 20 Prozent des Arbeitsaufwands benötigt, um ca. 80 Prozent einer Aufgabe zu erledigen. Für die restlichen 20 Prozent braucht man ca. 80 Prozent des Aufwands. Die Botschaft dahinter: Oft reicht es, eine Aufgabe gut zu erledigen.
Zum Thema Organisieren/Strukturieren lernten die Teilnehmer unter anderem die Eisenhower-Matrix und ABC-Methode kennen. Dafür sollten sie zunächst die Aufgaben, die bei ihnen aktuell anstanden, in einer Matrix nach Dringlichkeit und Wichtigkeit anordnen. Das Ergebnis: Die zunächst angsteinflößende Aufgabenflut erschien den meisten Teilnehmern anschließend nicht mehr so bedrohlich. Denn, so zeigte sich: Nicht alles muss sofort erledigt werden, manches kann delegiert werden, anderes im Kalender notiert und später bearbeitet werden und bei manchen weder wichtigen noch dringenden Aufgaben kann man überlegen, ob man diese überhaupt bearbeiten muss.
Ebenso interessant für den stressigen Arbeitsalltag: das Kanban-Board. Ein agiles Projektmanagement-Tool, mit dem sich die zu erledigenden Aufgaben visualisieren und steuern lassen – mit den verschiedenen Status-Schritten To-do, Doing, Done. Für die Selbststeuerung der Azubis und Lernprozessbegleitung könnten die Betriebe Azubis die „Steuerung“ der Aufgaben übergeben und das Board regelmäßig gemeinsam durchsprechen und anpassen.
Alle nehmen Tipps mit nach Hause
Was tun, wenn der Kopf voller Gedanken und To-do-Listen ist und das Fokussieren schwerfällt oder man nicht mehr abschalten kann? Interessant für die Teilnehmer waren auch die Tipps zum Thema Achtsamkeit. Ob Spaziergänge in der Natur, Sport, Musikhören, Yoga, eine digitale Medienauszeit oder einfach das Streicheln der Hauskatze: Es gibt viele Möglichkeiten zum „Runterkommen“. Bei einer gemeinsamen Atemübung erfuhren sie zudem, dass es manchmal nur weniger Minuten bedarf, um etwas für sich selbst und sein Wohlbefinden zu tun. Ein Reflexionsspaziergang in Zweiergruppen und ein „Elevator Pitch“, bei dem die Teilnehmer in 30 Sekunden die Kernpunkte zusammenfassten, die sie von der Veranstaltung mitnehmen, gehörten ebenso zum Workshop. „Das Thema Achtsamkeit steht bei mir nun ganz weit oben.“ „Wenn ich nicht auf mich achte, kann ich auch nicht auf andere achten.“ „Ich werde in der Schule To-do-Liste einführen.“ „Die ABC-Methode hat mir die Angst vor zu viel anstrengenden Aufgaben genommen.“ „Weg mit meinen langen Listen. Ich werde künftig regelmäßig die Eisenhower-Matrix benutzen.“ „Ich werde aktiv Ruhepausen suchen und Störfaktoren ausschalten.“ „Die Tipps zum Zeitmanagement gebe ich schnell an unser junges Team weitergeben, damit wir damit arbeiten können.“ Das sind nur einige der Resümees der Teilnehmer.
Am Ende des Tages zeigten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen und auch BdS-Ausbildungsreferentin Nicole Campe, die seit Jahren für das Ausbildertreffen verantwortlich ist, begeistert von dem unterhaltsamen und interessanten Workshop. Dank des intensiven und konstruktiven Austauschs konnte Jede und Jeder Tipps für sich mitnehmen, die problemlos – dem individuellen Bedarf angepasst – in den Ausbildungsalltag integriert werden können.
Im Anschluss an den Workshop hieß es dann: Die Gespräche bei gutem Essen und guter Laune weiterführen und das BdS-Ausbildertreffen bei einem geselligen Beisammensein und gutem Essen im Franziskaner in der Münchner Innenstadt ausklingen lassen. Dabei gab es auch Einblicke in die Neuordnung der Ausbildungsberufe der Systemgastronomie. Claudia Letzner von der Beruflichen Schule in Elmshorn informierte über das erfolgreich abgeschlossene Mammutprojekt „Neuordnungsverfahren“, das nun mit all seinen Aktualisierungen und Anpassungen an heutige Bedürfnisse, kommende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als bestens auf eine vielversprechende Zukunft in einer modernen Systemgastronomie vorbereitet.
An diesem Miteinander gilt es unbedingt festzuhalten – und somit steht der Termin für das nächste BdS-Ausbildertreffen 2023 auch schon fest: Donnerstag, 14. September 2023.
